Kennen Sie Ihre wichtigste Führungskompetenz?
Vor einigen Wochen haben wir uns um den Auftrag beworben, eine international tätige Führungsposition im Bereich Maschinenbau zu besetzen. Nach zwei Gesprächen mit dem Arbeitsdirektor erfolgte das Abschlussgespräch mit dem Präsidenten des Verwaltungsrates. Plötzlich befand ich mich in einer Diskussion über „die“ entscheidende Führungskompetenz für diese Position. Wir diskutierten und bewerteten die üblichen Kompetenzfelder und hatten bald ein klares Bild von dem künftigen Kandidaten,
Die Frage nach „der“ Kompetenz beschäftigte mich danach weiter. Im Rahmen einer Strategietagung des Führungskräfteteams nach ich die Frage mit. Wir dachten über emotionale Intelligenz als Führungskompetenz nach, bewerteten die DISC Profile noch einmal unter dem Führungsaspekt und gingen alle uns bekannten Persönlichkeitstests sowie deren Ergebnisse durch. Wir kamen zu dem Schluss: Alle Bewertungsmethoden haben ihre Berechtigung, aber keine dieser Methoden kommt mit nur einer Kompetenz aus. Das Ergebnis ist immer ein Querschnitt einzelner (Teil-) Kompetenzen. Gibt es sie also, die entscheidende Kompetenz?
Eine Kompetenz ist immer in der Schnittmenge
In der Folge bewerteten wir die Teilkompetenzen der uns bekannten Methoden. Aussagen wie „Veränderungen positiv gestalten“, „Veränderungen aktiv zu begleiten/ gestalten/ voranzubringen“ oder Aussagen wie „Mitarbeiter im Rahmen des Change Managements zu unterstützen“ verdichteten sich zu einer Kompetenz: Die Anpassungsfähigkeit.
Ein Gewohnheitstier ist nicht für die stete Veränderung geeignet
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und liebt grundsätzlich Routinen und bekannte Muster. So definieren wir, egal ob Unternehmer, Führungskraft oder Mitarbeiter, genaue Vorstellungen davon, wie Abläufe erfolgen sollen, welche Herangehensweisen wir benutzen und was richtig und falsch ist. Kurz: Wir bilden Erfahrung und generieren daraus ein Verständnis, wie erfolgreicher Verkauf abläuft, was unsere Kunden erwarten und wie Mitarbeiter geführt werden müssen.
Dabei läuft vieles wie ein Film ab – Tag für Tag, Monat für Monat. Genau genommen ist das gut so. Hätten wir diese Routinen nicht gebildet, müssten wir vor jeder Entscheidung eine genaue Analyse und Bewertung durchführen. Effizienz müsste erfunden werden. Das liest sich, vor allem im unternehmerischen Kontext kritisch. Gut also, dass unser Gehirn einen gut funktionierenden Lösungsansatz entwickelt hat. Einmal erfolgreich angewendet definiert unser Gehirn quasi einen Autopiloten, die Gewohnheit. Nachdenken ist nur nötig, wenn es um grundsätzliche Fragen geht. Steht der Prozess, dann bitte nichts mehr daran ändern. „Das machen wir schon immer so“ – Haben Sie das nicht auch schon einmal aus tiefstem Herzen gesagt?
Veränderung bedeutet Stress
Das faule Gehirn hat wenig Interesse, bewährte Lösungsansätze zu hinterfragen. Warum sollte man die neuronalen Verknüpfungen auch umgehen? Auch wenn unser Gehirn fast uneingeschränkt tiefgreifenden Veränderungen fähig ist und Neues uneingeschränkt aufnehmen und adaptieren kann, löst eine Veränderung signifikante Hirnarbeit aus. Leider hat das Gehirn, welches Veränderungen nicht gewohnt ist, einen starken Drang zum beharrlichen Festhalten am Erprobten – ein Fakt, der die Durchführung eines eh schon schwierigen Veränderungsprozesses erschwert.
Unbekanntes verursacht Stress und Abwehrreaktion. Dieses liegt in der menschlichen Biologie begründet: Die Evolution hat uns einen emotionalen Blumenstrauß in die DNA geschrieben, der unsere Überlebenschance sichern soll. Aus dieser tausende Jahre alten Erfahrung nehmen wir wie selbstverständlich Intuition und Empathie. Wenn wir in die Steinzeit zurück gehen, in denen die Prozesse „nicht gefressen werden“ und „Essen finden“ einen Fehler nicht verziehen, ist klar, dass warum das Vorgehen eines überlebten Tages nicht geändert wird.
Auch wenn wir es heute privat wie beruflich nicht mehr mit tödlichen Veränderungen zu tun haben, ist die Stressreaktion dieses ausgeklügelten Gehirn-Körper-Management-Systems heute nicht mehr notwendig, aber dennoch weiterhin vorhanden. Dazu gehört alles, was uns unbekannt und so auch eine potenzielle Gefahr sein kann.
Übersetzung in den beruflichen Kontext
Wir haben es also auf der einen Seite mit Menschen zu tun, die aus den verschiedensten Gründen keine Veränderungen mögen:
- Neue Prozesse führen zum Verlust des langjährigen Wissens und somit des Status als Experte
- Jüngere Kollegen lernen schneller und können mich nun überholen
- Ich gehöre zur älteren Generation und wenn mein Wissen nicht mehr unique ist, bin ich entbehrlich
- Wenn ich den Prozess neu lerne, mache ich Fehler und verliere mein Ansehen
Auf der anderen Seite haben wir es mit einer sich täglich schneller drehenden Welt zu tun, in der eine schnelle Anpassungsfähigkeit der Produkte, der Services, ggf. der gesamten Unternehmensstrategie über Erfolg und Misserfolg eines Unternehmens entscheiden. Ein Unternehmen, in einem sich stetig ändernden Markt, mit einer großen Zahl Mitbewerber, ist also darauf angewiesen, Mitarbeiter mit der Kompetenz schneller Anpassung an neue Situationen, einzustellen.
Ein Übersetzer, Coach, Mentor dringend gesucht
Menschen, die in der Lage sind, unternehmerische Anforderungen und Erwartungen an die eigenen Mitarbeiter in stressverhindernde bis stressvermeidende Führung umzusetzen, werden künftig immer wichtiger sein.
Die gute Nachricht ist, diese Kompetenz kann man erlernen. Es braucht hierfür gute Coaches, die auf dem Gebiet der emotionalen Handlungen Expertise nachweisen können.
Die schlechte Nachricht ist: Derzeit gibt es noch keine allgemeingültige Testsituation. Jeder Recruter muss hierfür seine eigenen Überlegungen anstreben. Hier empfiehlt es sich, Fragestellungen oder speziell abgestimmte Situationen für das Assessment Center vorzubereiten.
Fazit:
Führungskräfte haben heute schon die benötigte Kompetenz oder sind bereit, diese zu erlernen. Anpassungsfähigkeit im Umgang mit jedem Mitarbeiter und jeder Führungskraft. Anpassungsfähigkeit bei jedem Kunden, jeder Beschwerde oder auch individuellen Bestellung. Anpassungsfähigkeit auf jede Art Wandel im Umfeld. Das heißt nicht, „was stört mich mein Geschwätz von gestern“, sondern „ich nehme mir die Zeit, es jedem so zu erklären, dass er nachher zufrieden ist“.
So setzt man die Firmenziele und die eigenen Ziele erfolgreich um. Für mich die wichtigste Kompetenz auf dem Karriereweg bzw. erfolgreich als Verantwortlicher einer Business Unit oder eines Unternehmens zu sein und zu bleiben.
Ansonsten gilt der bekannte Spruch „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“