Ghosting – Wenn der Beziehungsaufbau (zum neuen Arbeitgeber) gescheitert ist

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Ghosting – Wenn der Beziehungsaufbau (zum neuen Arbeitgeber) gescheitert ist

2005 entdeckte ich soziale Netzwerke für mich. OpenBC (der Vorläufer von XING) war die erste Plattform, auf der ich mich bewegte und virtuelles Netzwerken startete. Damit wurde ich auch für Headhunter sichtbar, die irgendwann anfingen, mich über die Plattformen zu kontaktieren. Wie vermutlich mehr als 90% derer, die schon einmal mit Headhuntern zu tun hatten, lernte ich, dass einige dieser Typen, denen ich bis zum ersten Telefonat so ungeheuer wichtig war, danach plötzlich vom Erdboden verschwunden waren und sich nie wieder meldeten. Verglichen mit der heutigen Diskussion war es jedem klar, dass ein Headhunter sich einfach nicht mehr meldet. Dies wurde akzeptiert und eher belächelt. „Die sind eben so“.
(Anmerkung: In meiner Unternehmensgruppe gibt es das nicht. Wir betrachten dies als Qualitätsmerkmal)

Mittlerweile hat dieses plötzliche Verschwinden von Menschen einen Namen: GHOSTING

Mittlerweile hat dieses plötzliche Verschwinden von Menschen einen Namen: GHOSTING.
Der Begriff Ghosting entstammt aus den USA und beschreibt eine (privat basierte) Trennung ohne erkennbare vorherige Vorwarnung, bei der ein Mensch einfach aus dem Leben des anderen verschwindet. So entgeht die Person, die den Kontakt abbricht, meistens einer ihr unangenehmen Situation eines Trennungsgesprächs oder einer Auseinandersetzung mit dem Verlassenen. Dabei gibt die sich trennende Person jeglichen Kontakt und jegliche Kommunikation zu der anderen Person auf und reagiert nicht mehr auf Versuche, den Kontakt wieder aufzunehmen. Dahinter steht oftmals die Hoffnung, es sei überflüssig, dem oder der anderen mitzuteilen, dass kein weiterer Kontakt mehr erwünscht ist.

Ghosting hat im beruflichen Kontext Einzug gehalten - der menschliche Schaden ist enorm.

Die Vorfreude ist groß. Die lange unbesetzte Stelle ist besetzt. Nach 3 Monaten Suche wurde der Vertrag unterschrieben, nochmal 3 Monate Wartezeit wegen der Kündigung des neuen Kollegen. In dieser Zeit sind eine Menge Überstunden angefallen. Private Feierabendaktivitäten wurden abgesagt oder verschoben, weil noch etwas für den Kunden fertig gemacht werden muss. Der Familie erklärt man, dass die ja nur eine Übergangszeit ist. Wenn der Neue da ist, arbeiten wir ihn ein und dann ist alles wieder normal. 

In der Woche vor dem ersten Tag hat der neue Kollege die Einladung bekommen. 9.00h am Empfang melden stand darin. Nun ist es 9.30h und es ist niemand da. Es wird telefoniert, vielleicht hat sich der Kollege bei HR gemeldet. Gegen 10.00h erfolgt der erste Kontaktversuch. Mailbox. Bis 12.00h wiederholt sich dies mehrfach und dann ist es wohl Gewissheit: Wir wurden geghosted. Der Kandidat stellt sich taub und blind und antwortet auf keinem Kanal.

Eine Achterbahn der Gefühle für die Abteilung. Eine Enttäuschung für alle Beteiligten. Zudem ein tiefer Einschnitt, denn Vertrauen wurde radikal beschädigt (..Wie konnte man sich so in dem neuen Kollegen täuschen?..). Alle Betroffenen brauchen nun Unterstützung. Einfach zur Tagesordnung übergehen ist nicht ratsam. Der Verlust muss verarbeitet werden, damit künftige Bewerber nicht darunter leiden (und somit das eigene Unternehmen).

Schaden auch für das Unternehmen

Das Unternehmen muss mit der Suche neu beginnen. Schnell ist eine Position so für ein Jahr unbesetzt. Die Kollegen, die den Job Mitmachen arbeiten dann ein Jahr auf 150%. Hier besteht die Gefahr der Kündigung und des Burn Out.
Der Arbeitsmarkt hat sich verändert. Die Position muss ggf. teurer eingekauft werden, als sie budgetiert wurde. Alternativ wird ein teurer Interims Manager eingestellt.

Vermeidungsstrategien

Der Grund für die Bereitschaft, zu ghosten wird allgemein mit fehlender Verpflichtung, fehlender Loyalität sowie einer noch sehr anonymen Frist von der Vertragsunterschrift bis zum ersten Tag beschrieben. Kurz gesagt: Es fehlt die Bindung zum Mitarbeiter.

Mitarbeiterbindung ist kein unbekannter Begriff. Aktuell startet Mitarbeiterbindung am ersten Tag. HR und Fachabteilung sind hier in der Pflicht, dies künftig mit der Vertragsunterschrift zu starten. Hierzu einige Ideen:

So entgegen Sie der Anonymität. Die vorherige Liste ist als Denkanstoß zu sehen. Je individueller umso besser.  Je persönlicher und regelmäßiger der Kontakt, desto mehr stellt sich schon vor dem eigentlichen Arbeitsbeginn eine Bindung und ein Willkommensgefühl bei ein.

Sie zeigen dadurch auch, dass Sie als Arbeitgeber nicht beliebig austauschbar sind und sich vom Durchschnitt abheben. Das ist ein Mehraufwand? Natürlich… und es lohnt sich. Es wird einfacher, wenn sich sowohl die Personal- als auch die Fachabteilung der Aufgabe gemeinsam annehmen. Die sind schließlich ein Team und eine Firma.